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Erziehung ohne Strafen, schreien, schimpfen
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Warum ist das so wichtig? Warum ist das so schwer - Erziehen ohne strafen, schimpfen und schreien?
„Strafe muss sein!“ - „Euch tanzt das Kind ja auf der Nase rum!“ - „Das lasst ihr euch gefallen?“
Für Eltern, die einen neuen, wertschätzenden Weg mit ihren Kindern gehen möchten, abseits von autoritärer Erziehung, von bestrafen, schreien und schimpfen (im Sinne des harsh verbal disciplining) hinterlassen „gut gemeinte“ Ratschläge wie diese oft einen Keim der Verunsicherung, der beim nächsten Wut- oder Willensanfall des autonomen Kindes ordentliche Zweifel an der gewählten Erziehungsmethode sprießen lässt – den „ja, aber“-Filter. „Ich möchte ja nicht drohen, aber was mache ich, wenn mein Kind sich nicht anziehen möchte, ich aber zur Arbeit muss? Oder wenn es einfach nicht Zähne putzen möchte?“
Ohne Frage erscheint es manchmal einfacher, jenen autoritären Weg zu gehen, den viele von uns selbst als Kinder erfahren haben. Wir bestrafen, um unser Kind dazu zu bekommen, das zu tun, was wir möchten. Auf diese Weise stellen wir die Kontrolle wieder her. Wir holen uns aus der Ohnmacht. Das bedeutet allerdings auch, dass ich meinem Kind vorlebe: Beziehungen funktionieren über Macht und der Stärkere setzt sich durch.
Damit Strafen „funktionieren“ ist es unerlässlich, dass sie objektiv und ultrakonsequent erfolgen. Wer von euch hat, nachdem er einmal geblitzt wurde, sein Fahrverhalten dauerhaft umgestellt? Das würden wir nur bei einem festinstallierten Blitzer tun, der immer, wirklich immer blitzt. Wir Eltern können aber Strafen niemals objektiv und ultrakonsequent fällen, weil wir keine Maschinen sind. Wir sind der Polizist/die Polizistin am Straßenrand, der/die sagt: „Also heute sind Sie mir eindeutig zu schnell gefahren. Gestern war das okay, aber heute stört es mich.“
Am Montag ist uns das lautstarke Spielen unserer Kinder zu viel, am Sonntag konnten wir es gut aushalten. Das ist normal und vollkommen in Ordnung, führt aber dazu, dass unsere Kinder Bestrafung oft - zu recht - einfach nur unfair empfinden und sich ungerecht behandelt fühlen. Strafen helfen auch keineswegs dabei, Alternativen zu entwickeln. Kindern lernen durch sie nicht, Rücksicht zu nehmen, Konflikte friedlich zu lösen, Bedürfnisse zu priorisieren. Kinder, die für schlechte Noten bestraft werden, haben nichts darüber gelernt, wie sie beim nächsten Mal effektiver lernen können. Sie haben aber vermutlich Angst vor der Reaktion ihrer Eltern entwickelt und werden die schlechte Note beim nächsten Mal vielleicht verheimlichen. Das ist selten das, was wir eigentlich wollen. Wir wollen für unsere Kinder da sein und sie unterstützen. Hierfür braucht es aber Beziehung. Und durch schimpfen, drohen und strafen belasten wir diese so wertvolle Beziehung zu unseren Kindern, weil wir ihnen damit weh tun.
Um eine herausfordernde Situationen wie ein Kind, das das Zähneputzen verweigert, stattdessen wertschätzend zu lösen, ist es nicht mit einem Satz getan. Denn es geht um Emotionen und Bedürfnisse hinter dem Verhalten, die nicht allgemein in „wenn-dann“-Empfehlungen verpackt werden können. Aber zwei Punkte sind mir wichtig: erstens, Kinder sind Teamplayer, sie wollen grundsätzlich immer kooperieren. Wenn sie aus der Kooperation gehen, gibt es dafür immer einen Grund (sie wurden verletzt und/oder sie sind überfordert). Und, zweitens, das Verhalten ist immer nur die Spitze des Eisberges, unter der Meeresoberfläche liegen Emotionen (Wut, Trauer…) und wiederum darunter ein (unerfülltes) Grundbedürfnis, das die Emotion und daraufhin das Verhalten auslöst.
Das Kind, das den ganzen Tag kooperiert hat, ist abends müde und erschöpft und kann nicht mehr, es ist überfordert. Wenn die Eltern auf sein Verhalten mit Zurückweisung reagieren, verletzen und überfordern sie vollkommen ungewollt ihr Kind noch mehr - ein Teufelskreis.
Sie sehen nicht, dass sein Verhalten nur sein Bedürfnis danach ausdrückt, gesehen, wertgeschätzt, ernstgenommen und geliebt zu werden, oft auch ein Bedürfnis nach Autonomie und Selbstwirksamkeit, Sicherheit und Schutz.
Um das Zähneputz-Beispiel wieder aufzugreifen, könntet ihr hier euer Kind erst einmal ganz liebevoll sehen und wahrnehmen: „Puh, ich sehe, du hast überhaupt keine Lust mehr auf Zähne putzen.“ Damit erfüllen wir das Bedürfnis nach gesehen-werden und das nimmt schon mal viel Druck und Emotion raus. Einfach nur gesehen, ohne bewertet zu werden ist wunderschön!
Danach könnt ihr gerne euren Standpunkt klar machen (authentische Grenzen setzen): „Mir ist wichtig, dass du Zähne putzt.“ Und dann gilt es, gemeinsam eine kreative Lösung zu suchen. Oft hilft die Frage an das Kind: „Tja. Was machen wir jetzt?“ Kinder haben oft erstaunliche Ideen, auch schon die ganz Kleinen.
Wenn das Kind sehr wütend ist, ist so ein Lösungsideen-Gespräch besser auf eine ruhige Minute zu verschieben. In der Wut muss erst einmal die Wut gelebt werden, da lässt unser Gehirn gar keine rationalen Gespräche zu, schon gar nicht ein kindliches Gehirn, in dem Emotion aufgrund der Hirnreifung immer vor Kognition geht.
Oder vielleicht ist das Bedürfnis auch eines nach Autonomie. Hier helfen dann Wahlmöglichkeiten: „Mit welcher Zahnbürste möchtest du heute putzen?“ „Soll ich dir die Zähne putzen oder möchtest du selbst?“.
Es gibt eine Vielzahl an Varianten, diese Situation gleichwürdig und wertschätzend, ohne Bestrafung oder Drohung zu lösen.
Ich finde vielmehr die Frage spannend, warum uns das oft so schwerfällt. Wieso fällt es uns reifen, erwachsenen Menschen so schwer, vor uns dieses kleine Wesen zu sehen, das einen schweren Tag hatte und jetzt einfach keine Lust auf Zähne putzen hat? Wieso nehmen wir das so persönlich? Wieso verlieren wir den Kontakt?
Eine der Antworten ist: Stress.
Für unser Gehirn - vor allem, wenn wir einen langen, anstrengenden Tag hatten - bedeutet ein Kind, das nicht kooperieren möchte, ein Stressreiz. Der präfrontale Kortex, zuständig für Empathie und rationales Abwägen, wird ausgeschaltet, damit wir schnell und im Affekt reagieren können. Evolutionsbiologisch macht das Sinn (wer möchte schon Empathie mit einem Säbelzahntiger haben?), beziehungstechnisch führt es jedoch dazu, dass wir kein Verständnis und Mitgefühl mehr für unser Kind haben können. Stattdessen reagieren wir mit Flucht oder Angriff. Wir schimpfen, schreien, bestrafen, um uns wieder Sicherheit zu schaffen und aus der Ohnmacht zu kommen.
Um diesen Mechanismus auszuhebeln, hilft Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Nehmt euch über den Tag verteilt öfters mal ein paar Sekunden und fühlt in euch hinein: Wie geht es mir eigentlich gerade? Bin ich müde? Fühle ich mich wertvoll genug, gesehen? Und, weil Ampeln gerade der Renner sind: Wo stehe ich mit meiner Energie: Bin ich im grünen, gelben, orangen oder gar roten Bereich?
Und wenn ihr doch geschrien oder bestraft habt, entschuldigt euch. Ihr müsst nicht perfekt sein. Für eure Kinder sind aber drei Informationen wichtig:
„Du bist nicht schuld, niemand darf so mir dir umgehen und es tut mir Leid!“.
Wir dürfen Fehler machen – wichtig ist nur, das Kind nicht in dem Glauben „ich bin falsch“ zurückzulassen, sondern Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen.
Unsere Verantwortung ist es, unsere Bedürfnisse so weit zu erfüllen, unsere „Baustellen“ zu kennen und wenn nötig, daran zu arbeiten - so dass es uns gut geht und wir in unserer Mitte sind. Dann fühlen wir uns nicht mehr so leicht persönlich angegriffen und sind frei für kreative Ansätze und Lösungsmöglichkeiten.
Danke für den Gastbeitrag!
Über die Autorin:
Barbara Grütze ist Kinder-, Jugend-, Eltern und Familienberaterin, familylab-Beraterin
Hallo, wie schön, dass ich mich hier bei euch vorstellen darf! Ich freue mich darauf, euch kennenzulernen!
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