Gesund & Satt

Die Autonomiephase rund um den 2. Geburtstag ist wohl mit eine der herausforderndsten Zeiten - für Eltern und Kinder. Der Familientherapeut Jesper Juul findet die passenden Worte: "Kinder brauchen Wurzeln und Flügel." Die Autonomiephase ist somit das Bindeglied zwischen stabiler Verwurzelung und Flügel wachsen. Astrid Pintzinger ist Klinische und Gesundheitspsychologin und gibt uns einen Einblick, wie wir unsere Kinder in dieser herausfordernden Zeit bedürfnisorientiert begleiten können. 

Kinder probieren sich aus, entdecken die Welt, explorieren ihre Umgebung, versuchen und scheitern und schaffen. Da wird ihrer Gefühlswelt ganz schön viel abverlangt. Das Gehirn arbeitet auf Hochtouren und neue Vernetzungen werden gebildet. Die Kinder entdecken ihre Handlungsfähigkeit, ihr "Ich" wird ausgebildet. In dieser Phase sagen sie auch zum ersten Mal "Ich" zu sich selbst. "Mein", "selber machen", "ich kann das" werden nunmehr Phrasen, die diesen Entwicklungsschritt zur Wahrnehmung des eigenen Selbst begleiten.

In dieser Phase kommen Eltern von Kleinkindern irgendwann alle in die Situation, ein völlig aufgelöstes und wild tobendes Bündel vor sich zu haben. Wie reagiere ich denn aber nun als Mutter oder Vater so, dass die Situation für alle Beteiligten gut gelöst wird?

Gefühle erleben

Da lohnt es sich, über die Abläufe und Hintergründe der Autonomiephase Bescheid zu wissen und eine ungefähre Idee zu haben, wie ich meinem (Klein-)kind begegnen kann, um gut mit ihm in Beziehung zu bleiben. Wichtig dabei ist es, dem Kind eben auch solche Situationen zu ermöglichen. Gefühle zu erleben ist die Voraussetzung, um den Umgang mit ihnen auszuprobieren und einen guten Weg zu finden, sie irgendwann entsprechend zu integrieren.

Der aller wichtigste Faktor, um diese Integration zu unterstützen, ist die Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind. Und diese zu erhalten ist oft leichter gesagt als getan. Denn sobald starke Gefühle im Spiel sind, werden wir unweigerlich auf die Probe gestellt, diese starken Gefühle auch auszuhalten. Und da wird's oft schon spannend. Wie ist es denn um unsere eigenen Kompetenzen bestellt, mit verschiedenen Gefühlen umzugehen. Haben wir selbst gelernt, Trauer, Wut oder Angst gut zu verarbeiten und zu integrieren? Allzu oft werden wir im Umgang mit unseren Kindern in unsere eigene Vergangenheit zurückgeworfen.

Sich den eigenen Gefühlen stellen

Stress, Scham, Wut, Ärger, Angst. Das Spektrum der Gefühle, die wir empfinden, wenn wir mit den starken Gefühlen unserer Kinder konfrontiert werden, ist ebenso groß. Nur wie bleiben wir denn am besten in Beziehung mit unseren Kindern? Wie schaffen wir es denn, unsere Gefühle für den Moment hintenanzustellen? Das Kind wütend anzuschreien, vor Scham im Boden versinken zu wollen, die Situation hektisch zu beenden oder vor Angst weglaufen zu wollen... alles nachvollziehbare, aber keine adäquaten Reaktionen auf unser wild strampelndes Bündel vor uns.

Gut, es braucht also Strategien, um im Hier und Jetzt, bei unserem Kind zu bleiben.

Geduldig in Verbindung bleiben

Wenn es die Situation und auch unsere Zeit zulässt, empfehle ich, sich in Geduld zu üben. Die Gefühlsausbrüche können tatsächlich recht lange dauern und unser Durchhaltevermögen ist gefragt. Denn den Ausbruch geduldig zu überstehen ist wesentlich und wertvoll, damit das Kind seine Gefühle kennen lernt und einen guten Umgang damit findet. Selbstvertrauen, Selbstwirksamkeit, Selbstliebe, Selbstwert. Alle diese Aspekte des eigenen Selbst wachsen aus solchen Situationen, in denen wir in Verbindung mit unserem Kind bleiben. Nicht nur beim Kind, auch bei uns selbst. Auch wir selbst gehen gestärkt aus solchen Situationen heraus. Weil wir unserem Kind ermöglicht haben, an seinen Gefühlen und durch seine Gefühle zu wachsen. Wir zeigen uns selbst, dass wir starke Gefühle gut aushalten können, ohne die Beziehung abzubrechen.

Da sein

Da sein. Das ist ganz wesentlich. Einfach nur da sein. Es braucht nicht viele Worte. Viele Worte würden - unter uns gesagt - beim Kind sowieso nicht ankommen. Sein Gehirn ist viel zu sehr mit den eigenen Gefühlen beschäftigt. Da ist kein Platz für die Aufnahme und Verarbeitung von gut gemeinten Vor- und Ratschlägen der Bezugsperson. Setzt euch also hin, macht es euch gemütlich und harrt der Gefühle, die da aus unserem Kind ausbrechen. Und atmet. Klingt banal, oder? Aber wann habt ihr das letzte Mal so richtig bewusst geatmet? Die meisten von uns Erwachsenen haben verlernt, richtig tief in den Bauch zu atmen. Einige entspannende, befreiende Atemzüge nehmen und das eigene Stresslevel, das da aufkommen mag - vor allem, wenn der Gefühlsausbruch in aller Öffentlichkeit stattfindet - beginnt zu sinken.

Und auch wenn uns manchmal ein Grinsen, ein mildes Lächeln oder ein lauter Lacher, ob der Heftigkeit der Gefühle in Relation zu der auslösenden Situation auskommen wollen, versucht es zu unterdrücken. Kinder sind wirklich und tatsächlich in Not, wenn es aus ihnen herausbricht. Sie können nicht anders als sich auf den Boden zu werfen und das schönste Drama abzuspulen.

Warum so viele Gefühle?

Wieso das so ist? Da lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen: Das Verhalten - also das Winden auf dem Boden, das wütende um sich Treten, das Schreien - ist eben auf Gefühle zurückzuführen und diese Gefühle wachsen aus unbefriedigten Bedürfnissen. Das gilt übrigens für jede Art von Verhalten. Egal, ob bei Kindern oder Erwachsenen. Es liegen immer unbefriedigte Bedürfnisse zugrunde. Bedürfnisse gibt es zuhauf. Das richtige Bedürfnis, das da gerade nicht befriedigt wird (also zum Beispiel das Bedürfnis nach Freiheit und Autonomie, nach Schutz und Sicherheit, nach Anerkennung, nach Nähe und Körperkontakt, um nur einige zu nennen), gilt es zu eruieren. Aber dazu haben wir eh eine Weile Zeit. Während wir da so neben unserem Bündel sitzen und einfach nur da sind.

 

Über die Autorin: Mag. Astrid Pintzinger ist Klinische und Gesundheitspsychologin und bietet Beratungen und Kurse rund um Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft an.
Nähere Infos auf www.sichergebunden.at, auf Facebook "Sichergebunden in Wien" oder Instagram "sichergebunden_in_wien".

 

 

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