Gesund & Satt

Was ist kindliche Sexualität und wie unterscheidet sie sich von dem, was wir als Erwachsenensexualität kennen? Cornelia Lindner, Sexualpädagogin, Sexualberaterin und Buchautorin gibt uns Einblicke in das sexuelle Wesen der Kleinsten. 

Zuerst einmal leben Kinder im Hier und Jetzt. Bezugspersonen von Kindern kennen das aus vielen anderen Lebensbereichen: wenn ein Kind Hunger hat, möchte es SOFORT etwas essen. So ist es auch bei der Sexualität. Wenn ein Kind Lust hat, sich nackt auszuziehen, will es das SOFORT machen. Dagegen spricht prinzipiell nichts, allerdings gibt es Momente, in denen das unpassend wäre oder wir Kinder vor den Blicken Erwachsener schützen müssen.

Viele Eltern haben Angst, ihre Kinder mit Informationen über Sexualität und Körper zu überfordern, dabei kommen Kinder als sexuelle Wesen auf die Welt. Die kindliche sexuelle Entwicklung ist dabei ein Teil der sonstigen Entwicklung (Motorik, Sprache, usw) und nicht eigenständig.

 

Lust ist ein Gefühl – jedes Gefühl ist ok!

 Es ist wichtig, dass Kinder die sozialen Regeln lernen, aber auch erfahren dürfen, dass ihre Lust vollkommen in Ordnung ist. Sollte ein Kind also den eigenen Körper in einer Situation erleben wollen, in der es nicht passend ist, darf das Kind darauf hingewiesen werden, das lieber später zu Hause zu machen. Kleine Kinder können das natürlich noch nicht so umsetzen wie wir es uns vielleicht wünschen - sie können es aber mit der Zeit lernen. 

Ein weiterer Unterschied zur Erwachsenensexualität ist, dass Kinder nach dem Gleichwertigkeitsprinzip leben. So ist es für sie gleichermaßen lustvoll, sich am Genital zu berühren, wie ihr Lieblingsbuch anzusehen, herumzurennen, zu singen, zu tanzen etc. Mit dem Älterwerden wird dieses Prinzip immer weniger ausgeprägt. Ein Kind, das sich bei der Geburtstagsfeier nackt ausziehen will, kann durch spannende andere Spielangebote motiviert werden, die Kleidung anzubehalten. Erwachsene, die Sex haben wollen, werden mit einem guten Buch nicht mehr zu motivieren sein. 

 

Kinder als sexuelle Wesen

Alle Menschen werden als sexuelle Wesen und mit drei “Lustpäckchen” geboren. Lust bedeutet, dass Dinge in unserem Körper schöne Gefühle auslösen und sich gut anfühlen. So empfinden Kinder orale Tätigkeiten, wie das Saugen an Brust, Schnuller oder Fläschchen als lustvoll und damit auch als beruhigend. Das zweite Lustpäckchen ist die genitale Lust, also beispielsweise, dass das erigierte Genital als faszinierend erlebt wird und es allen gezeigt werden möchte. Das dritte Lustpäckchen ist anale Lust, zum Beispiel dass die eigene Ausscheidung als angenehm und spannend erlebt wird.

 

Sexuelle Bildung von Anfang an

Ziel von sexueller Bildung von Geburt an ist es, diese Lustpäckchen zu erweitern, also weitere Dinge zu finden, die als lustvoll erlebt werden. Dazu zählt, den eigenen Körper als etwas Positives und Lustvolles erleben zu dürfen, beispielsweise durch Berührung des eigenen Körpers und Nacktsein. Die Möglichkeit, den ganzen Körper zu bewegen und kennenzulernen fördert die Weiterentwicklung sexueller Basiskompetenzen. Dazu zählen die Anspannung und Entspannung des Körpers, die Bewegungsfähigkeit von Oberkörper und Becken und die genitale Erektionsfähigkeit. 

Dazu zählt aber auch, andere Körper zu erforschen. Im Rahmen sogenannter “Doktorspiele”, bei denen es sich um Erkundungsspiele handelt, werden andere Kinder am ganzen Körper, also auch am Genital, entdeckt. Bei Erkundungsspielen ist wie bei allen anderen Spielen wichtig, dass alle Kinder freiwillig mitspielen und auch jederzeit aufhören können. Außerdem sollte auf den Altersunterschied geachtet werden, weil es durch zu große Altersunterschiede automatisch zu Machtungleichheiten kommt.

 

Spatzi, Mumu?! Nennt die Dinge beim Namen 

Neben all diesen körperlichen Erfahrungen brauchen Kinder von Anfang an auch altersadäquate Wissensvermittlung. Diese beginnt, indem Bezugspersonen die richtigen Begriffe der Genitalien verwenden – also Vulva, Vagina, Penis, Eichel, Hoden etc. 

Sobald Kinder explizit oder auch versteckt Fragen rund um Körper, Gefühle, Sexualität etc. stellen, benötigen sie Antworten. Gleichzeitig dürfen auch Erwachsene von Kinderfragen überrascht sein und zugeben, wenn sie etwas nicht wissen. Dann ist es aber wichtig, sich zu informieren und die Antwort nachzuliefern – sonst holen sich Kinder die Antwort woanders und erhalten womöglich Fehlinformationen. 

Zur Beantwortung vieler Fragen sind altersadäquate Aufklärungsbücher hilfreich und wichtig. Neben all den Traktor- und Tierbüchern sollten Körperbücher im Bücherregal, später Bücher über Schwangerschaft, Befruchtung und Geburt zu finden sein. In meinem Blog stelle ich einige Aufklärungsbücher für die verschiedenen Altersgruppen vor. 

Um Kinder sicher und unaufgeregt in ihrer sexuellen Entwicklung begleiten zu können, ist es ratsam, dass sich Bezugspersonen mit der eigenen sexuellen Bildung auseinandersetzen.

Denn: Es ist nicht möglich, Menschen nicht sexuell zu bilden. Auch Schweigen zum Thema ist eine Art der Sexuellen Bildung. Umso wichtiger ist es, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu überlegen, welche sexuelle Bildung man dem eigenen Kind mitgeben möchte.

 

Cornelia Lindner ist Sexualpädagogin, Sexualberaterin, Supervisorin und Beckenbodentrainerin in Wien, Niederösterreich und online. Unter dem Namen gefühls*echt bietet sie verschiedene Angebote rund um die Themen Sexualität und Körperwahrnehmung – von Sexualpädagogikworkshops über Sexualberatung und Elternberatung bis hin zu Beckenbodentraining und diversen Veranstaltungen. Im November 2021 erschien ihr Aufklärungsbuch "Erbsenklein Melonengroß" für Kinder ab 4 Jahren.
www.gefuehlsecht.at

„Wie kommt eigentlich das Baby in den Bauch?“

 
Kaum eine Kinderfrage verunsichert Erwachsene mehr als diese. In Erbsenklein Melonengroß begleiten kleine und große Leser:innen ab vier Jahren das Kind Toni dabei, der Frage auf den Grund zu gehen. Geschlechtssensibel und unaufgeregt erzählt das Kinderbuch die Geschichte von Empfängnis, Schwangerschaft und Geburt so, dass sich alle Familien darin wiederfinden. 
 
Tonis Eltern erwarten Nachwuchs. Grund genug für das aufgeweckte Kind, alles ganz genau wissen zu wollen: Wie groß ist das Baby? Wie kommt das Baby in den Bauch? Was machen Menschen, wenn sie biologisch keine Kinder bekommen können?  
 
Geschrieben von Cornelia Lindner, illustriert von Verena Tschemernjak, erschienen im ACHSE Verlag.

 

 

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