Gesund & Satt

Uff; über Missbrauch sprechen ist ganz schön schwer! Es sich vorzustellen ist fast unmöglich und macht den meisten Eltern große Angst. Das Thema tendiert sehr schnell dazu emotional zu werden, die rationalen Denkprozesse auszuschalten und entweder wild oder stumm zu werden - in Kampf oder Starre zu verfallen.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns vermehrt mit dem Thema sexualisierter Gewalt auseinandersetzen, es öffentlich an- und besprechen und vor allem über gute und hilfreiche Prävention nachdenken - um es gar nicht so weit kommen zu lassen.

Tamara Felbinger ist Sexualpädagogin und erzählt wie wir unsere Kinder am besten stützen und schützen – Absolute Leseempfehlung!

 

Kinder stützen und schützen

Erstens sei gesagt: Alle leben eine kindliche (!) Sexualität.

Für uns Erwachsene vermeintlich sexualisiertes Verhalten des Kindes, deutet nicht per se auf negative Erfahrungen hin. Wichtig ist es diese Entwicklungsschritte zu kennen und einordnen zu können.
Ich kann mein Kind dabei unterstützen selbstbestimmt und selbstwirksam zu sein. Vor allem indem ich ihnen von Anfang an eine Sprache und Wörter für ihren Körper und ihre Gefühle gebe.

Was ich kenne - schütze ich!

Nutzen wir die Alltagssituationen mit unseren Kindern um ihren Körper in allen Facetten zu benennen. Vulva, Vagina, Penis und Hoden haben genauso ein Recht auf eine korrekte Bezeichnung wie Schulter, Nase und Ohren. Wenn Kinder keine Möglichkeit haben ihren Körper liebevoll zu erkunden und ihn in Sprache einzuordnen, wissen sie auch nicht was sie beschützen sollen.

Im Sinne von: NUR WAS ICH SCHÄTZE KANN ICH SCHÜTZEN.


Neben dem Körperkennen, geht es essenziell darum Berührungen und Gefühle gut einordnen zu können. Diverse Körpererfahrungen wie, laufen, rennen, schaukeln, matschen, gatschen, barfuß laufen, fördern das Körperbewusstsein unserer Kinder und somit deren positive sexuelle Entwicklung.


Wir können sie unterstützen in dem wir Fragen stellen wie:
Fühlt sich das nasse Gras gut an?
Ist es gerade warm, oder kalt?
Was fühlt sich auf der Fußsohle besser an, die Steine oder Wiese?


Die Kinder lernen Berührungen bestimme Gefühlen zuzuordnen. Sollte nun eine Berührung unangenehm sein, können sie dies auch besser erkennen, in Sprache formulieren und auch der richtigen Körperstelle zuordnen.


Übrigens kann und sollte man das alles schon mit Kindern machen, die sich noch nicht verbal ausdrücken können. Das bedeutet auch mit Babys die noch keine sprachlichen
Ausdruck behertschen, macht es Sinn diese Methoden anzuwenden.



Kindliche Sexualität, was ist das?

Jeder Mensch kommt als ein sexuelles Wesen auf diese Welt. So wie Gehen, Sprechen, Singen, Tanzen muss auch Sexualität gelernt werden. Und das passiert nicht, wie oft angenommen, erst in der Pubertät, sondern bereits von Anfang an. Kinder wollen über den Körper sprechen, ihn berühren, ihn erkunden und können auch kindliche Lust empfinden.

Wenn Kinder masturbieren, was viele Kleinkinder sehr gerne tun, dann ist das kein bedrohliches Anzeichen für sexualisierte Gewalt, sondern eine schöne und gesunde Entwicklung. Wir Erwachsenen müssen die Kinder in ihrer Entdeckungsaktivität schützen und begleiten.

Wie geht das? Am besten erarbeitet ihr gemeinsam folgende Fragen: 

+ Wo sind die richtigen Orte für Nacktheit?
+ Wer darf dich wo berühren?
+ An welchen Orten ist ok sich selbst zu berühren?
+ Wann haben Erwachsene Zeit für sich und was tun sie da?

Auch das Berühren anderer Körper, den Busen der Mama, den Penis des besten Freundes, ist ein normaler Entwicklungsschritt. Wichtig ist es dabei auf die Grenzen zu achten und mit den Kindern üben die Grenzen Anderer zu sprechen und die eigenen zu kennen.

Wer was darf, oder muss (zB beim Arzt) kann mit Kindern individuell erarbeitet werden.


+ „Deine Betreuerin Susi darf dich beim Wickeln am Penis anfassen, oder? Aber darf das auch unsere Nachbarin Susanne?“,
+ „Manchmal muss ich deine Vulva eincremen, weil ich dafür zuständig bin, dass es deinem Körper gut geht, wer darf das denn noch?“,
+ „Was können wir gemeinsam machen, wenn du gerade nicht berührt werden möchtest, es aber zB bei der Ärztin wichtig ist?“

Das Kind mit einbeziehen, es um Lösungen und Hilfestellungen zu bitten gibt ihm erneut Selbstbestimmung und Körperkompetenz. Ich empfehle immer Literatur zur Hilfe zu nehmen und schöne kindgerechte Zeichnungen als Unterstützung zu verwenden.


Was tun im Verdachtsfall?

Erstmal vorweg:
Nicht immer wird eine länger andauernde sexualisierte Gewalt sofort erkannt. Dies führt zu massivem schlechtem Gewissen und Versagensängsten der Eltern, oder Begleitpersonen des Kindes.
Viele Kinder haben eine große Resilienzfähigkeit, eine Gabe des Verdrängens oder verstehen einfach nicht was gerade passiert.
Gibt es nun, aus welchen Gründen auch immer, einen begründeten Verdacht, dass sexualisierte Gewalt stattgefunden hat, oder nach wie vor stattfindet, ist mein erster Ratschlag:

LUFT HOLEN! DURCHATEMEN!

Die Emotionen gehen hoch, die Ängste übernehmen die Führung. ATMEN und langsam weitere Schritte durchdenken. In den meisten Fällen ist eine impulsgesteuerte vermeintliche Täterkonfrontation nur nachteilig für den weiteren Verlauf.


Der erste Schritt muss sein, vertraute und professionelle Verbündete zu finden. Wen kann man einweihen, wen holt man sich ins „Rettungsboot“. Befreundete Eltern, Oma und Opa, die Kindergartenleitung, etc.
Dieser Schritt sollte gut durchdacht sein, denn jede hinzugezogene Person bringt eine neue Dynamik in den weiteren Verlauf. 

Im zweiten Schritt ist, meiner Meinung nach, der Kontakt zu einer professionalisierten Stelle unumgänglich. Der „Verein Selbstlaut“ zum Beispiel begleitet Familien und Institutionen in einem Verdachtsfall.

Das Durchleben eines sexualisierten Übergriffs, ein weiterführendes Gerichtsverfahren und nebenbei das Heilen des Kinders (und das eigene) zu begleiten ist nicht einfach. Sich in diesem Fall Hilfe zu holen zeugt von wahrer Stärke! Psychotherapeutinnen*, Psychologinnen* Beraterinnen*, das Amt für Kinder und Jugendhilfe und spezialisierte Vereine sind unerlässliche Partnerinnen* im gemeinsame Kampf um wieder zurück zu Stärke und Selbstsicherheit zu finden .

Anlaufstellen

Verein Selbstlaut
FEM/ FEM Süd
AMT für Kinder und Jugendhilfe (MAG11)
Die MÖWE - Kinderschutzzentrum
Beratungsstelle Tamar

 

Über Tamara Felbinger
Jahrelange Erfahrung in der Arbeit mit Kinder- und Jugendlichen mit Gewalterfahrungen im Kontext der Fremdunterbringung.
Sozialarbeitern, Sexualpädagogin, Beraterin und Gründerin des feministischen Gesundheitsvereins VEMINA.
www.tamara-felbinger.at
www.vemina.at

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