Gesund & Satt

Es ist oft schwer auszuhalten: Das Kleinkind ist gefrustet. Es brüllt und tobt, weil irgendeine Kleinigkeit nicht nach seinem Willen abläuft. Tatsächlich sind diese Situationen aber wertvolle Lerngelegenheiten, um Frustrationstoleranz zu trainieren. Warum sie so wichtig ist und was wir Eltern tun können, um Frustrationstoleranz zu fördern, erfährst du hier.

Frustrationstoleranz Wut

Wenn Erwartungen enttäuscht werden

Frust entsteht durch enttäuschte Erwartungen. Etwas verläuft nicht so, wie man sich das vorgestellt hat und das frustriert.

Bei einem Kleinkind ist das nicht anders - nur handelt es sich dabei oft um Erwartungen, die uns selbst nicht aus der Bahn werfen würden: Wenn im Aufzug schon jemand anderes gedrückt hat, stecken wir Erwachsene das ganz gut weg. Es gibt aber keinen äußeren Maßstab, wie viel Frustration angemessen ist: Je größer die Enttäuschung, desto größer auch der Frust.

In solchen Situationen braucht es die Fähigkeit, die eigenen Erwartungen anzupassen und sich auf die neue Situation einzustellen, ohne von intensiven Gefühlen überwältigt zu werden. Es braucht das Zutrauen, trotz Rückschlägen und Schwierigkeiten handlungsfähig zu bleiben. Genau das ist mit Frustrationstoleranz gemeint.

Frustrationstoleranz - ein Lernprozess

Die gute Nachricht ist: Frustrationstoleranz lässt sich trainieren. Niemand wird damit geboren, aber wir können lernen, dass Herausforderungen lösbar und manche Dinge zwar lästig, aber aushaltbar sind.

Dafür ist es notwendig, immer wieder Frustrationserlebnisse zu haben und dabei die Erfahrung zu machen, dass dieses intensive, unangenehme Gefühl wieder vorbeigeht und es möglich ist, aus schwierigen Situationen wieder rauszukommen.

Eltern als Begleiter, nicht als Problemlöser.

Die Aufgabe für Eltern ist es, mit dem Kind in solchen Situationen in Verbindung zu bleiben und so zu vermitteln: “Ich bin bei dir, wir halten das aus, es geht wieder vorbei”.

Genau das ist manchmal hart. Erinnert uns der Frust unserer Kinder doch an unsere eigenen Enttäuschungen und es entsteht der Wunsch, das eigene Kind vor Problemen schützen zu wollen.

Das ist zwar verständlich, aber nicht hilfreich. Als Eltern sind wir nicht dafür zuständig, alle Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, dabei zu unterstützen, dass unsere Kinder diese Fähigkeiten selbst entwickeln.

Dafür braucht es einen sicheren Rahmen, in dem das Kind seinen Frust ausleben kann.
Nichts aktiv tun, einfach nur da sein. Ein paar Ansätze die dabei hilfreich sind:

  1. Intensive Gefühle sind kurzlebig: Eine heftige Emotion wie Frust dauert rund 90 Sekunden. Nach 90 Sekunden ist die chemische Reaktion im Körper vorbei - aber nur, wenn in diesen 90 Sekunden nichts passiert ist, was das Frustgefühl intensiviert. Zum Beispiel wenn wir versuchen, der heftigen Emotion des Kindes mit Logik zu begegnen: “ist ja nicht so schlimm, ist ja nichts passiert”. Das erzeugt beim Kind nur mehr Widerspruch und verlängert den Wutanfall. Besser: Nichts sagen, durchatmen, auf die eigene Regulation achten.

  2. Sportscasting: Anstatt in den Problemlösungsmodus zu gehen, kann man einfach wie ein Sportkommentator beschreiben, was gerade passiert: “Ja ich seh’s, der runde Stein passt nicht ins eckige Loch, das ist total ärgerlich”. Diese Strategie vermittelt dem Kind, dass es gesehen und wahrgenommen wird, dass es aber auch das Zutrauen bekommt, mit dem Problem selbst umzugehen. Es spürt, dass die Eltern präsent sind, sich aber nicht vom Frust anstecken lassen.

  3. Das Ziel im Auge haben: Bei älteren Kindern, die sprachlich aktiv einfordern, dass ihre Eltern ihnen das Leben leichter machen und so Frust vermeiden wollen, braucht es mitunter mehr Kontext. Mein Standardsatz ist:

    “Ja, ich könnte das Lego für dich zusammenbauen, aber ich weiß, was für ein gutes Gefühl es ist, wenn man etwas selbst etwas geschafft hat und dieses gute Gefühl will ich dir nicht wegnehmen. Probier’s einfach nochmal und wir schauen, ob’s gelingt.”

    Das klingt zwar vielleicht umständlich, ist aber präziser als “ich weiß, dass du das kannst”, was meistens noch mehr Widerstand hervorruft (“NEIN, ich kann’s NICHT”).

  4. Realistische Erwartungen: Auf die Dosis kommt’s an! Es braucht eine gute Intuition der Eltern, um herauszufinden, wie viel Frust gerade noch aushaltbar ist, ohne komplett zu überfordern. Die Herausforderungen müssen dem Entwicklungsstand des Kindes entsprechen, ansonsten ist das Kind in der Überforderung und es findet kein Lernen mehr statt. Eltern dürfen sich dabei getrost auf ihre Intuition und Beobachtung verlassen. Je nach Temperament und Tagesverfassung liegt die Frustrationstoleranz eines Kindes ganz woanders.

  5. Vorbild sein: Kinder bekommen natürlich mit, wie sehr Frust uns selbst aus der Bahn wirft und verinnerlichen, was wir ihnen vorleben. Deshalb ist es sinnvoll, sich mit dem eigenen Umgang mit Frust auseinanderzusetzen - und zwar nicht dann, wenn es gerade akut ist, sondern sich grundsätzlich die Frage zu stellen: Wie können wir einen konstruktiven Umgang mit alltäglichen Ärgernissen vorleben?

Die Umsetzung im Alltag

In der Theorie klingt das vielleicht nachvollziehbar - aber es gibt ein paar Stolpersteine, die die Umsetzung erschweren:

Erstens: Frustrationsmomente geduldig zu begleiten und dabei in Verbindung zu sein, steht manchmal im Widerspruch zu effizienten Abläufen, die für unsere Alltagsgestaltung wichtig sind. Pünktlich aus dem Haus kommen, das Abendessen fertig kriegen - oft hat man selbst nicht die Ressourcen, enttäuschte Erwartungen geduldig zu begleiten.

Da hilft es, sich daran zu erinnern, dass es nicht um “alles oder nichts” geht. Niemand schafft es, JEDEN Frustrationsmoment als Lernmöglichkeit wahrzunehmen. Aber wenn man hin und wieder im passenden Moment daran denkt, ist schon viel erreicht.

Der zweite Stolpersteine liegt in der eigenen Regulation: Wenn unser Kind leidet, schlägt unser autonomes Nervensystem Alarm. Dann reagieren wir mit Unverständnis und Ungeduld auf den Frustrationsmoment unseres Kindes, weil es so unaushaltbar ist, dass das Kind gerade leidet.

Das ist zwar eine ganz normale Reaktion unseres Nervensystems, nur leider ist sie nicht besonders hilfreich, um vorzuleben, dass Frustmomente vorbeigehen.

Das eigene Nervensystem neu zu kalibrieren, damit in solchen Momenten nicht mehr das Alarmsystem anschlägt, braucht einiges an Zeit und Arbeit. Oft kann professionelle Unterstützung in Form von Beratung oder Coaching hilfreich sein.

Fazit

Ziele zu erreichen bedeutet, mit Misserfolgen und Rückschlägen umzugehen. Da ist es egal, ob das Ziel heißt, sich selbst die Schuhe anziehen zu können, den Schulabschluss zu schaffen oder den Traumjob zu bekommen. Genau das ist auch der Wunsch vieler Eltern: Dass ihre Kinder irgendwann auf eigenen Beinen stehen und die Herausforderungen im Leben selbst meistern können. Damit sie das üben können, dürfen wir ihnen aber nicht alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen - so schwer es manchmal ist, den intensiven Frust auszuhalten.

Elisabeth Witzani

Über die Autorin

Elisabeth Witzani ist Elterntrainerin, Beraterin (in Ausbildung unter Supervision) und schreibt einen regelmäßigen Newsletter mit Fachwissen rund um starke Eltern-Kind-Beziehungen.

Mehr über ihre Arbeit auf www.elisabethwitzani.at

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