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Hand aufs Herz - als du erfahren hast, dass du schwanger bist, was hast du dir gewünscht oder mit wem hast du dich gesehen? Mit einem Babymädchen oder mit einem Babybub?! Natürlich freuen wir Eltern uns über Nachwuchs, egal welches Geschlecht es hat. 

Es gibt aber Eltern, die enttäuscht sind über das Geschlecht des Nachwuchs. Manche geraten in eine Krise. Dabei spricht man von Gender Disappointment. Die Freude über die Schwangerschaft kann dabei ins Wanken geraten, das Ungeborene fühlt sich oft fremd an. Ein Gastbeitrag von Cornelia Lindner.

Typisch Bub - Typisch Mädchen?!?!

Die Bedeutung von Geschlecht im Allgemeinen hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert. Die meisten Eltern würden ihren Kindern nichts “verbieten”, weil es nicht zum biologisch sichtbaren Geschlecht passt. Und dennoch kommt es häufig vor, dass Eltern nach der Information, welches Geschlecht ihr Ungeborenes hat, enttäuscht sind. Das ist normal, denn die meisten werdenden Eltern malen sich bereits vor der Geburt – oft auch vor der Befruchtung – ihr Leben mit Kind aus. Wenn man aber nicht nur kurz enttäuscht ist, sondern in eine Krise gerät, weil das Geschlecht des Ungeborenen nicht dem Wunschgeschlecht entspricht, spricht man von Gender Disappointment. Die Freude über die Schwangerschaft kann dabei ins Wanken geraten, das Ungeborene fühlt sich oft fremd an – und noch mehr!

Gender Disappointment - ein Tabu!

Über Gender Disappointment spricht aber niemand, denn wer gibt schon zu, über das eigene Baby in welcher Form auch immer enttäuscht zu sein? Werdende Eltern würden selten zugeben, dass sie vom biologischen Geschlecht ihres Kindes enttäuscht sind. Das Tabu ist viel zu groß. Wenn doch Gedanken in die Richtung aufkommen, werden sie sofort von Schuld und Scham begleitet. Dabei kommt diese Krise häufiger vor als man denken mag.

Gender ist der englische Begriff für das soziale, also das sozial erlernte Geschlecht. Am Begriff lässt sich bereits erkennen, worauf diese Krise zurückzuführen ist, nämlich auf stereotype Geschlechterrollen unserer Gesellschaft. Das soziale Geschlecht ist ein Konstrukt und hat nichts mit der Veranlagung zu tun. Dennoch prägen diese Bilder die Vorstellungen und Wünsche werdender Eltern. Wer sich zum Beispiel immer vorgestellt hat, eine Fußballmami zu werden, wird mit einer Tochter enttäuscht. Denn Mädchen spielen ja bekanntlich nicht Fußball, sondern gehen in rosa Tütü zum Ballett. Werdende Mütter, die schon immer von Mädchenabenden mit Zöpfe flechten und über Jungs schwärmen geträumt haben, können sich das mit ihren Söhnen nicht vorstellen. Doch was ist, wenn man ein Mädchen bekommt, das so gar keine Lust auf Zöpfe hat und nicht auf Jungs steht? Darf man dann auch enttäuscht sein? Ja!

Alle Gefühle sind in Ordnung und dürfen sein!

Gleichzeitig sind alle Kinder Individuen und das ist auch gut so. Außerdem gibt es nicht nur zwei Geschlechter auf der Welt und darüber sollte mehr gesprochen werden.

Gemeinsam Geschlechterrollen aufdröseln 

Natürlich darf man enttäuscht sein und diese Enttäuschung darf auch Platz haben! Wir sollten darüber sprechen dürfen, dass das biologische Geschlecht in Kombination mit den gesellschaftlichen Geschlechterrollen und unseren Wünschen nicht zusammen passen. Gleichzeitig sollten wir genau diese Geschlechterrollen für unsere Kinder reflektieren, enttarnen und so weit wie möglich auflösen. Mädchen müssen nicht zum Ballett gehen (außer, sie wünsche es sich natürlich). Sie dürfen wild und laut sein. Und Buben dürfen über ihre Gefühle sprechen und bei Liebeskummer mit den Eltern Eis essend am Sofa sitzen und weinen.

Ich habe einmal wo gelesen, dass “Töchter ihr Leben teilen, Söhne aber nicht” - doch warum ist das so? Weil sie es so lernen. Kinder kommen nicht auf die Welt und wissen, dass sie als Jungen ihre Gefühle runter schlucken sollen. Sie erfahren es, indem sie es von Vorbildern so nachahmen und weil es ihnen so gesagt wird. “Jungs weinen nicht.” ist noch immer ein Satz, den ich auf dem Spielplatz neben mir höre. Und langfristig betrachtet ist es nicht gesund, die eigenen Gefühle zu verbergen. Das gilt für Jungen, aber auch für Eltern, die Gender Disappointment verspüren.

Keine Angst vor dem "anderen" Geschlecht

Oft steckt auch die Angst dahinter, sich mit dem anderen Geschlecht nicht auszukennen. Mütter wünschen sich häufig eine Tochter, weil sie ja wissen, was sie erwartet. Väter wünschen sich aus dem selben Grund häufig einen Sohn. Sie kennen sich mit den Problemen und Herausforderungen, aber auch den Interessen von Mädchen bzw. Jungen aus aus. Auch vor den Genitalien des Kindes haben viele Eltern Respekt, wenn es nicht dasselbe ist wie das eigene Genital. Wie reinige ich denn einen Penis? Und wo an der Vulva darf ich mein Kind berühren? Zu ersterem müssen wir uns überlegen, ob das wirklich stimmt. Erleben denn alle Mädchen die gleichen Herausforderungen und haben dieselben Interessen? Nein! Dann wäre die Welt nämlich sehr langweilig. Und der Umgang mit dem Genital kann gelernt werden und wird nach wenigen Malen wickeln und waschen ganz normal.

Manche Mütter wünschen sich einen Jungen, weil sie Angst vor der sehr ambivalent dargestellten Mutter-Tochter-Beziehung haben. Die Beziehung zwischen Mutter und Tochter wird entweder als innig und freundschaftlich (siehe Gilmore Girls) oder als fürchterlich und toxisch dargestellt. Die eigene Familiengeschichte zu betrachtet, macht hier oft Sinn, um herauszufinden, welche Ängste dahinter stecken.

Was hilft bei Gender Disappointment?

Was können werdende Eltern nun tun, wenn sie in einer Gender Disappointment-Krise sind, also die Vorfreude über das Kind (egal wie lange bereits ein Kinderwunsch bestand!) überschattet ist? Denn nichts tun und ignorieren kann langfristige Folgen haben. Es gibt keine klaren Statistiken, aber Hebammen berichten, dass Gender Disappointment einen stockenden Geburtsverlauf begünstigen kann, weil das Abschied nehmen von der Schwangerschaft erschwert ist. Auch beim Aufbau der Bindung kann es zu Problemen kommen und es kann einen Einfluss auf einen guten Stillbeginn nehmen, weil die Mischung aus Traurigkeit und Schuldgefühlen die Oxytocinausschüttung hemmen kann, die für die Milchbildung unerlässlich ist. Auch Postpartale Depression kann vermehrt auftreten.

Tipps im Umgang mit Gender Disappointment für Betroffene:

  1. Reden! Mit dem*der Partner*in, Freund*innen, Familienmitgliedern. Denn Menschen fühlen nun mal, was sie fühlen. Und das ist in Ordnung. Es ist okay, sich ein Geschlecht zu wünschen, denn wir sind alle mit den prägenden Geschlechterrollen aufgewachsen und es ist gar nicht so einfach, sie aus dem Kopf zu bekommen.
  2. Reflektieren! Ein Blick in die eigene Familiengeschichte oder in die Rollenverständnisse ist sehr wichtig, um Ungelöstes an die Oberfläche zu holen. Das sollte im besten Fall mit einer Fachperson gemeinsam passieren.
  3. Wunschvorstellungen ersetzen! Es ist schön, sich die Zeit mit dem Kind auszumalen. Vielleicht können vorherrschende Bilder aber auch durch andere stärkende Bilder ersetzt werden. Denn eines ist klar: Die negativen Gefühle richten sich nicht gegen das Kind im Bauch, sondern gegen die Erwartungen und Ideale, die gesellschaftlich geprägt sind.
  4. Bindung vorgeburtlich stärken! Schon vor der Geburt kann in Form einer begleiteten Bindungsanalyse (z.B. im Nanaya) gefördert und Kontakt zum Ungeborenen hergestellt werden.
  5. Überraschungseffekt! Damit der Geburtsprozess von möglichen negativen Gefühlen dem Geschlecht des Kindes nicht gehemmt wird, kann überlegt werden, sich vom Geschlecht überraschen zu lassen. Wenn das Baby einmal da ist und das Kuscheln und Kennenlernen beginnt, können die negativen Gefühle dem Geschlecht gegenüber der Oxytocinausschüttung nämlich meistens nicht mithalten.
  6. Vorbilder! Eltern mit Kindern mit dem Wunschgeschlecht zu sehen kann Neid hervorrufen. Deshalb kann es sinnvoll sein, sich Vorbilder mit Kindern des gleichen Geschlechts zu suchen, z.B. auf Instagram.

 

Tipps im Umgang mit Gender Disappointment für Zuhörende:

  1. Zuhören!
  2. Nicht verurteilen!
  3. Gefühle nicht klein reden!
  4. Gemeinsam Geschlechterrollen reflektieren!

 

Cornelia gibt auch regelmäßig Vorträge und Workshops zu diesem Thema. Im Nanaya bietet sie eine vorgeburtliche Geburtsanalyse an und am 17. November gibt es einen Vortrag zum Thema "Typisch Bub - Typisch Mädchen". 

Cornelia Lindner ist Sexualpädagogin, Sexualberaterin, Supervisorin und Beckenbodentrainerin in Wien, Niederösterreich und online. Unter dem Namen gefühls*echt bietet sie verschiedene Angebote rund um die Themen Sexualität und Körperwahrnehmung – von Sexualpädagogikworkshops über Sexualberatung und Elternberatung bis hin zu Beckenbodentraining und diversen Veranstaltungen. Im November 2021 erschien ihr Aufklärungsbuch "Erbsenklein Melonengroß" für Kinder ab 4 Jahren.
www.gefuehlsecht.at

 

 

 

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