Gesund & Satt

Im letzten Teil unserer Geschwister-Serie werfen wir einen kurzen Blick auf Themen, die in diesem Kontext wenig bis kaum Beachtung finden. Was, wenn sich das Leben nicht so planen lässt? Ein Geschwisterchen länger als geplant auf sich warten lässt oder gar nicht kommt? Ein weiteres Familienmitglied mit besonderen Bedürfnissen geboren wird oder gar eines durch zB. Trennung ausfällt? 

Viktoria Kindermann, 4fach Mama, Pädagogin und Psychologin gibt uns einen Einblick aus fachlicher und persönlicher Sicht.

Im Rahmen der Familienplanung werden viele Überlegungen angestellt. Allen voran, ob das eigene Kind überhaupt ein Geschwisterkind braucht und wenn ja, welcher Altersabstand ideal ist. Hier werden vorwiegend allgemein organisatorische Überlegungen angestellt wie finanzielle und berufliche Aspekte, aber natürlich auch die erwartete Beziehung zwischen den Kindern.

Im letzten Teil unserer Geschwister-Serie möchte ich einen kurzen Blick auf Themen werfen, die in diesem Kontext wenig bis kaum Beachtung finden. Das ist nicht weiter verwunderlich, da diese Aspekte erst in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen haben oder durch Tabuisierung so weit an den Rand der Wahrnehmung gedrängt werden, dass sie scheinbar keinen relevanten Einfluss haben. Selbst wenn viele Familien mit den folgenden Themen nicht direkt oder nur marginal konfrontiert sind, so soll hier Raum und Platz geschaffen werden, um Bewusstsein für die Unvorhersehbarkeit des Lebens zu schaffen und um die besonderen Herausforderungen für betroffene Familien anzuerkennen und zu würdigen.

Wenn sich das Timing nicht beeinflussen lässt

Die beste Planung hinsichtlich des Altersabstands ist nutzlos, wenn sich die Natur nicht an den erarbeiteten Plan hält. Das kann eine ungeplante Schwangerschaft sein, die eine Familie unerwartet mit einer möglichen Vergrößerung konfrontiert, aber auch eine mitunter lange oder sehr lange Wartezeit auf ein Baby sowie Verlusterlebnisse. Bereits geborene Kinder sollten so gut wie möglich in die Realität mit einbezogen werden, denn die Emotionen werden sich in der Familie widerspiegeln und Transparenz ist hier besonders gefordert. Sollte sich die Familie wider Erwarten doch nicht vergrößern, ist eine kindgerechte Information für ältere Geschwister hilfreich. Kinder können auch mit Eventualitäten leben: „Es kann sein, dass wir noch länger auf ein Geschwisterchen warten müssen.

Wenn es erhöhten Betreuungsaufwand gibt 

In unseren Überlegungen gehen wir idR von einem unauffälligen Kind aus, einem, das den gesellschaftlichen Erwartungen entspricht. Woran wir nicht denken (wollen), ist, dass jedes Kind auch mit einem Mehr an Betreuungsaufwand zur Welt kommen bzw. sich dahingehend entwickeln kann. In diesem Fall müssen die Eltern auf allen Ebenen mehr Ressourcen einbringen, als man als Familie ursprünglich geplant hatte. Diese fehlen dann womöglich für die anderen Kinder, weshalb Geschwisterkinder unweigerlich zurückstecken müssen. Natürlich versucht man das als Elternteil zu kompensieren und den Geschwisterkindern immer wieder Exklusivzeit zu ermöglichen. Trotzdem bleibt die Gesamtbelastung der Eltern auch für die Geschwisterkinder spürbar.

Dem gegenüber steht, dass Kinder mit Behinderungen oder Auffälligkeiten gerade auch für die Geschwister eine unglaubliche Bereicherung sein können und das bei weitem nicht nur, weil die soziale Kompetenz der Geschwisterkinder überproportional stark geschult wird. Im besten Fall (er)leben diese Geschwisterbeziehungen den puren Kern von inklusivem Leben und Denken. Innige Geschwisterliebe und die Fähigkeit, jemanden als verwandt bedingungslos anzunehmen in der Form, in der man eben geboren wurde, wird nicht erst erlernt. Es ist in unserem Wesen angelegt – in allen von uns, ob mit oder ohne Beeinträchtigung.

Wenn ein Elternteil ausfällt (Trennung, Krankheit, Tod)

In einer mehr oder minder klassischen Familienkonstellation kümmern sich zumindest zwei Elternteile um die Kinder. Fällt nun aber ein Elternteil aus, so lastet die gesamte Verantwortung auf den Schultern einer Person. Selbst bei einer Trennung, bei der plötzlich nicht mehr beide Elternteile ständig verfügbar sind, kommt es zu einer einschneidenden Veränderung in der Ressourcenverteilung. Noch eklatanter wird der Umstand, wenn sich ein Elternteil vorübergehend oder dauerhaft gar nicht mehr um das Kind/die Kinder kümmern kann. Keine Familie ist davor gefeit, dass ein Elternteil eine Krankheit erleidet oder gar stirbt. In diesen Fällen wird das bisher gebaute „Beziehungsgerüst“ vom Einsturz bedroht sein. Es muss sich wandeln und neu ausgerichtet werden, um weiterhin Stabilität zu gewährleisten. In diesen Fällen können Geschwisterkinder sich gegenseitig Unterstützung bieten, da auch hier die emotionale Last nicht bloß auf den Schultern eines Kindes liegt.

Natürlich gibt es noch eine Reihe weiterer Aspekte, die in diesem Zusammenhang wichtig sind. Habe ich ein verlässliches soziales Netz und wie kann ich möglicherweise plötzliche Veränderungen in diesem Bereich kompensieren? Reichen unsere Ressourcen, wenn aus einem geplanten Baby gleich zwei oder mehr werden? Die Nachricht, dass Mehrlinge unterwegs sind, kann in besonderem Maße berührend sein. Andererseits kann sie unter Umständen die eigene Lebensplanung über den Haufen werfen und wird möglicherweise nicht ausschließlich freudig aufgenommen. Aktuell haben aber auch unvorhersehbare Krisen und Armutsbedrohung wieder an Bedeutung gewonnen. Diese Aufzählung ist natürlich unvollständig und steht exemplarisch für all die vielen weiteren Themen, die hier relevant sein können.

Was also ist nun die Quintessenz aus diesen Zeilen? 

Kinder brauchen andere Kinder, wenngleich dieser Kontakt nicht zwingend innerfamiliär stattfinden muss.

Den idealen Geschwisterabstand kann man pauschal nicht bestimmen, da zu viele Faktoren relevant sind und in jeder Familienkonstellation anders gewichtet und bewertet werden. Wie alles im Leben lässt sich auch die Familienplanung nur bedingt planen – unvorhergesehene Ereignisse können die beste Planung konterkarieren und erfordern möglicherweise eine größere Anpassungsleistung der Eltern und älteren Geschwisterkinder als erwartet. Die in uns Menschen als sozialen Wesen angelegte Bindungsfähigkeit ermöglicht es uns, tragfähige Beziehungen mit unseren Mitmenschen einzugehen. Geschwister zu haben kann uns also eine Vielzahl an Optionen eröffnen. Mit mehr Kindern steigt jedoch auch die Wahrscheinlichkeit, eine nennenswerte Anzahl kleinerer und größerer Katastrophen abfedern zu müssen. Und so kann es dann durchaus vorkommen, dass eine Artikelserie, die eigentlich problemlos in ein paar Tagen geschrieben hätte werden können, wesentlich mehr Zeit in Anspruch nimmt als ursprünglich gedacht. ?

 

Weiterlesen:

Teil 1 - Brauchen Kinder Geschwister?

Teil 2 – Gibt es den idealen Altersabstand? 

 

Mag. Viktoria Kindermann

4fache Mama, Pädagogin und Psychologin, Beziehungsgestalterin und Begleiterin für alle Formen von Familien

Themenschwerpunkte: Bindungs- und beziehungsorientierte (Krisen-)Begleitung von Familien zu Themen rund um belastende Situationen in Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit (Schreibaby, Schlafthemen, Bindungsschwierigkeiten, frühe Trennungen aufgrund medizinischer Indikationen)

www.fraukindermann.at

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