Gesund & Satt
Ich weiß nicht, was ich tun soll - Teil 1
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Wie die Sorge, etwas falsch zu machen, das eigene Elternverhalten beeinflusst und was Eltern tun können, um mehr Sicherheit und Selbstvertrauen zu gewinnen.
Ein Gastbeitrag von Martina Wolf - Teil 1
„Ich will ja alles richtig machen – aber was, wenn ich es falsch mache?‘ – diesen Satz höre ich in meiner Praxis fast täglich. Und er steht sinnbildlich für die Unsicherheit vieler Eltern.“
Eltern möchten es gut und richtig machen
Es gibt viele Themen, die Bedeutung im Leben von Menschen bekommen, wenn diese Eltern werden, und sie erfordern eine Haltung und einen Umgang damit. So kommt es ganz selbstverständlich zur Frage, die sich allen Eltern stellt: „Was ist richtig?“
Eltern möchten es richtig machen. Sie möchten gut für ihr Kind da sein und dafür sorgen, dass ihr Kind gesund und glücklich aufwächst. Nur was konkret können Eltern dafür tun? Was und wie ist es gut und richtig? Gibt es richtig überhaupt und wenn es ein richtig gibt, was ist die Referenz? „Richtig in Bezug worauf“? Richtig für das Kind, seine Bedürfnisse und seinen aktuellen Entwicklungsstand. Richtig für die Eltern und ihr Bild von Elternschaft. Richtig für die Eltern der Eltern, die Gesellschaft, andere Familien, …?
In diesem Spannungsfeld ist es nur verständlich, dass Unsicherheiten und Ängste entstehen.
Von welchen Ängsten sprechen wir eigentlich?
Die Meinung anderer
Neben den tatsächlichen Rückmeldungen, die Eltern in Form von erbetenen oder weniger erbetenen Ratschlägen und Tipps erhalten, ist es die vermutete bzw. erwartete Meinung anderer, die verunsichert. Die Meinung anderer Familien oder auch die Meinung der eigenen Eltern, selbst die Meinung ganz fremder Personen, die auf das Verhalten eines Kindes und seiner Eltern reagieren, (ein schreiendes Baby in der U-Bahn, ein Wutanfall im Supermarkt, ein Kind, das sich ängstlich an den Elternteil klammert) kann ein Gefühl der Unsicherheit auslösen.
Den eigenen Eltern (also den Großeltern) kommt eine besondere Rolle zu. Sind diese zurückhaltend wohlwollend und bei Bedarf unterstützend an der Seite der jungen Eltern oder kritisch und voll von Meinungen und Korrekturvorschlägen für das Elternverhalten ihrer Kinder. Je nachdem fördern Großeltern damit die Sicherheit ihrer Kinder und stärken deren Elternkompetenz oder eben nicht .
Der eigene (Perfektions-)Anspruch
Der eigene Anspruch ist ein Faktor rund um die Ängste der Eltern im Sinne von „Welche Mutter; welcher Vater möchte ich sein“, wie es eine Kollegin (Sandra Teml-Wall) von mir einmal genannt hat. Welches Bild von einer „Guten Mutter“; einem „Guten Vater“ trage ich in mir, und ist dieses Bild für mich jetzt und heute erreichbar? Das macht enormen Druck und Unsicherheit, vor allem dann, wenn Eltern ihr Bild von Elternsein nicht umgesetzt bekommen – oder so gar nicht dem Bild einer scheinbar perfekten Familie, wie sie häufig in den Sozialen Medien präsentiert wird, entsprechen.
Die Angst dem Kind zu schaden
Und natürlich geht es um die Unsicherheit dem Kind gegenüber: Die Sorge, dem Kind mit dem eigenen Verhalten zu schaden. Die Unsicherheit dem Kind gegenüber, führt unter anderem auch dazu, in Situationen einfach nicht zu wissen, was jetzt eine passende/richtige/hilfreiche Antwort auf ein kindliches Verhalten wäre oder durch das kindliche Verhalten selbst in Not und Stress zu geraten und nicht mehr so handeln zu können, wie das den eigenen Werten entspricht.
So kann diese Unsicherheit in die Beziehung zwischen Eltern und ihr Kind rutschen und das elterliche Verhalten und die elterliche Leitkompetenz beeinflussen bis zu einem Gefühl der Angst (vor dem Kind und seinen Emotionen), wenn das Kind wütend wird oder verzweifelt ist.
Kinder brauchen Eltern, die „einen Plan“ (vgl. „Kreis der Sicherheit“ von Cooper, Hoffman, Marvin & Powell (2000) heißt es unter anderem: Immer: Sei GRÖSSER, STÄRKER, KLÜGER & LIEBENSWÜRDIG. Wenn möglich: Folge meinen kindlichen Bedürfnissen. Wenn nötig: Übernimm die Leitung.) haben, die sich selbst regulieren können und Bodenhaftung haben, wenn ihr Kind diese verliert (Wenn Kinder beispielsweise heftig weinen, nicht gut schlafen, wüten, Angst haben, klammern, …). Eltern in Unsicherheit und Angst haben einen solchen klaren Plan eher nicht oder können nicht darauf zugreifen und das hat Einfluss auf ihr Verhalten.
Woher kommt diese Unsicherheit
Die Hintergründe dieser Ängste und Unsicherheiten sind so vielfältig, wie die Familien selbst – daher darf diese Aufzählung als Auswahl gewertet werden:
- Vom Kindsein zur Elternschaft
Was Eltern selbst erlebt haben bzw. in der Kindheit vorgelebt wurde, möchten diese oft ganz bewusst nicht an die eigenen Kinder weitergegeben. Gleichzeitig wirkt das selbst Erlebte immer wieder auf das eigene Verhalten; vor allem in stressvollen Momenten. So fehlt das Vorbild für die eigene Elternschaft und Eltern agieren in einer Spannung zwischen „wie möchte ich sein und wie bin ich (manchmal)“. - Informationsflut
Eltern haben heute unendlichen Zugang zu teilweise auch widersprüchlichen Informationen. Elternratgeber boomen, in den sozialen Medien strömen täglich Informationen über „Richtige Elternschaft“ auf die Familie ein. Die Schwierigkeit besteht nun darin, auszuwählen, was für die kindliche Entwicklung förderlich und für die eigene Elternrolle hilfreich ist. - Das Bild der „glücklichen Familie"
Alle Eltern tragen ein Bild in sich, wie sie sich ihre Familie wünschen. Dieses imaginierte Bild ist meist harmonischer und schöner, als sich das in der Realität tatsächlich zeigt. So muss dieses innere Bild nach und nach mit der Realität abgeglichen werden. Gleichzeitig führt das Bild der „Perfekten Eltern“, das häufig von anderen Eltern in Sozialen Medien gezeichnet wird, zu Druck, Unsicherheit und Überforderung, wenn der eigene Familienalltag so anders aussieht.
- Unterschiedliche Vorstellungen der Elternteile
Wenn Eltern unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was die eigene Elternrolle betrifft und wie in konkreten Situationen mit dem Kind umzugehen ist, kann das nicht nur für Konflikte sorgen, sondern auch Unsicherheit und Ängste bei Eltern auslösen. Die Korrektur kommt dann nicht nur von außen, sondern ist tägliche Begleiterin im Familienalltag.
In Teil 2 des Artikels wird die Fragen geklärt, wie Unsicherheiten und Ängste das elterliche Verhalten beeinflussen und ihr bekommt 10 Wege aus der Angst und zu mehr Sicherheit und Selbstvertrauen aufgezeigt.
Über die Autorin
Martina Wolf arbeitet als Säuglings-, Kinder- und Elternberaterin in eigener Praxis (Kinderpraxis am Augarten). Martinas Angebot startet bereits vorgeburtlich. Hier bietet sie die Bindungsanalyse - Förderung der vorgeburtlichen Bindung zwischen Mutter und Kind an. Sie bietet Krisenberatung an bei Regulationsthemen, wie Schreien, Schlafen, Füttern, heftigem Trotzen oder Ängsten mit Tendenzen zum Klammern. Martina ist auch als Referentin im pädagogischen Kontext für Kinderthemen und Kinderschutz tätig. Sie ist Lehrgangsbegleiterin im Universitätslehrgang Early Life Care und Vorsitzende der GAIMH – der Gesellschaft für die Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit.
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