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Gibt es den perfekten Altersabstand zwischen Geschwisterkindern?
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Im letzten Beitrag haben wir uns mit der Frage beschäftigt, ob ein Kind überhaupt ein Geschwisterkind braucht und mit welchen Veränderungen im gemeinsamen Leben zu rechnen ist. Ist die Entscheidung zugunsten eines weiteren Geschwisterkindes gefallen, so stellt sich unweigerlich die Frage nach dem idealen Altersabstand. Doch auch diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Viktoria Kindermann, 4fach Mama, Pädagogin und Psychologin gibt uns einen Einblick aus fachlicher und persönlicher Sicht.
Vor- & Nachteile von einem kleinem Abstand (<3J):
Von einem kleinen Abstand erhoffen sich viele Eltern eine enge Bindung zwischen den Geschwistern, die durch das intensive gemeinsame Aufwachsen natürlich begünstigt wird. Trotzdem ist die Bindung aneinander keine Frage des Altersabstands, sondern vielmehr dessen, ob die Kinder miteinander harmonieren.
Praktisch gesehen ist die Freizeitgestaltung durch ähnliche Interessen und Freundeskreise oft erheblich einfacher. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass altersentsprechendes Spielzeug geteilt wird, ist hoch. Werden Kinder in der gleichen Einrichtung betreut, erleichtert das die Organisation des Alltags, da idR nur ein Weg zurückgelegt werden muss.
Durch die direkte Vergleichbarkeit steigen Rivalität und Konkurrenzdenken, was aber auch zu gegenseitigem Ansporn führen kann. Gerade bei jungen Kindern, die sich noch nicht gut ausdrücken können, sind körperliche Auseinandersetzungen daher immer wieder Thema.
Nicht zu unterschätzen ist der Kostenfaktor: Viele Dinge können nicht weitergegeben werden, sondern müssen mehrfach angeschafft werden, wie bspw. ein Autokindersitz.
Für Eltern ist es eine extrem intensive Zeit, da wickeln, füttern, tragen, Wutanfälle, Kinderkrankheiten und unruhige Nächte gleich im Doppelpack zu bewältigen sind. Allerdings ist diese anstrengende Zeit auch schneller vorüber und die Eltern können früher wieder vermehrt eigenen Bedürfnissen nachgehen, indem Ressourcen für sie selbst und den Job frei werden, als dies bei größerem Geschwisterabstand der Fall ist.
Vor- & Nachteile von einem mittlerem Abstand (3-6J):
Ab etwa drei Jahren Abstand kommt es zu weniger Eifersucht, Neid und Konkurrenzdenken, die älteren Kinder werden als Vorbild wahrgenommen. Das große Kind freut sich meist, wenn es bei der Babypflege ein wenig miteinbezogen wird. Eine große Erleichterung ist, dass in der Regel nicht zwei (oder mehr) Kinder gleichzeitig gewickelt, getragen und umsorgt werden müssen. Dazu kommen sowohl das Baby, als auch das größere Kind vermehrt in den Genuss von Einzelzuwendung. Diese Exklusivzeit mit dem jeweiligen Kind genießen auch die Eltern sehr. Dass vieles weitergegeben werden kann (Kleidung, Autositz, Tragetuch/Tragehilfe, Kinderwagen), ist oft eine finanzielle Erleichterung. Berufstätige Mütter sind bei größerem Altersabstand häufig nicht so lange am Stück zu Hause, wodurch sie geringere Auszeiten vom Beruf haben und den Anschluss in der Arbeitswelt leichter halten können.
Der Spagat zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen der Kinder ist jedoch schon deutlich spürbar: Familienaktivitäten werden organisatorisch und inhaltlich schwieriger, sind aber noch machbar. Der mütterliche Körper hat zwischen den Schwangerschaften genügend Zeit sich zu regenerieren und die Eltern können sich von der fordernden Babyzeit erholen. Allerdings muss man sich nach einer längeren Pause wieder komplett neu auf die Zeit mit einem Säugling einstellen. Die Phase, in der man eigene Bedürfnisse hintanstellt, verlängert sich.
Vor- & Nachteile von einem großem Abstand (>6J):
Bei einem großen Altersabstand zwischen den Kindern nehmen die Berührungspunkte durch unterschiedliche Interessen und aktuelle Entwicklungsaufgaben ab. Dadurch fühlt es sich zuweilen vielleicht sogar so an, als würde man zwei Einzelkinder begleiten, was sie aber natürlich nicht sind. Auch, wenn weniger Berührungspunkte vorhanden sind, so ist dies dennoch eine wichtige emotionale Beziehung. Ältere Geschwister sind besonders in dieser Konstellation oft Beschützer:innen und Vorbilder. Manchmal übernehmen sie sogar Betreuungsaufgaben, was aber nicht überhandnehmen sollte. Diese Aufgabe schult die Sozialkompetenz enorm. Konkurrenzkämpfe gibt es hier kaum noch. Zu Streit kommt es vor allem dann, wenn das ältere Kind seine Überlegenheit demonstriert oder umgekehrt, wenn das jüngere Kind die Privatsphäre oder die Grenzen des älteren nicht respektiert. Ein besonderes Merkmal ist, dass jedes Kind viel Exklusivzeit bekommen kann. Gemeinsame Aktivitäten sind hier schon besonders schwierig. Noch herausfordernder als bei mittlerem Geschwisterabstand, kann hier die Notwendigkeit sein, sich nach sehr langer Pause wieder auf die fordernde Zeit mit einem Baby einzustellen. Allerdings kann das auch die Vorfreude auf das Baby und die Gelassenheit im Umgang mit Kindern generell steigern.
Fazit:
Den perfekten Altersunterschied zwischen Geschwistern gibt es nicht.
Viel zu sehr beeinflussen verschiedene Faktoren diese Frage. Ob sich Geschwister tatsächlich gut verstehen, ist zu einem großen Teil auch eine Frage der jeweiligen Temperamente. Und wie jede Beziehung unterliegt auch die Geschwisterbeziehung im Wandel der Zeit Schwankungen. Die Bindungsfähigkeit ist in uns Menschen angelegt und daher im Kontext Geschwisterbeziehung keine Frage des Altersabstandes. Alle Modelle bieten Vor- und Nachteile – diese gegeneinander abzuwiegen ist nur unter Einbeziehung der individuellen Familiensituation möglich. Viele Faktoren sollten nach Möglichkeit miteinbezogen werden, etwa medizinische Aspekte, aber auch Fragen zu den eigenen Ansprüchen und dazu, wie man mit der Unvorhersehbarkeit des Lebens umgeht. Denn bei allem Abwägen:
Nicht alles ist planbar und oftmals bahnt sich das Leben seinen ganz eigenen Weg.
Weiterlesen:
Teil 1 – Braucht mein Kind ein Geschwisterkind?
Teil 3 – Die Unvorhersehbarkeit des Lebens
Mag. Viktoria Kindermann
4fache Mama, Pädagogin und Psychologin, Beziehungsgestalterin und Begleiterin für alle Formen von Familien
Themenschwerpunkte: Bindungs- und beziehungsorientierte (Krisen-)Begleitung von Familien zu Themen rund um belastende Situationen in Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit (Schreibaby, Schlafthemen, Bindungsschwierigkeiten, frühe Trennungen aufgrund medizinischer Indikationen)